Vom Bildanbieter zur Datenkrake?

Der größte Bildanbieter weltweit, Getty Images gibt einen großen Teil aus seinem Archivbestand zur freien Online-Nutzung frei. Dieser hochkontrovers diskutierte Schritt sollte eigentlich keine Überraschung sein. Der nachfolgende Artikel von mir ist in geänderter Fassung in der Tageszeitung (taz) vom 11.03.2014 erschienen.

Das eingeblendete Foto habe ich 2009 für die Agentur AFP aufgenommen. Es gehört zu den derzeit 35 Millionen Fotos aus den Archivbeständen von Getty Images, die nun unter Verwendung dieses Players frei zugänglich sind.

„Wenn es um das Urheberrecht geht, dann hat Deutschland irgendwo was von Nordkorea an sich.“ kommentierte ein Facebook-Nutzer zu einem kleinen Bilderrechtstreit letzten Dezember. Die Wut der Internet-Community entlädt sich hierzulande gegen die Kreativindustrie, wenn Musik-Videos auf Youtube gesperrt sind oder wenn wegen das „bloße“ Hochladen eines fremden Fotos auf Facebook eine Abmahnung ins Haus flattert.

In einem in der Industrie kontrovers diskutiertem Schritt gibt nun der größte Bildanbieter der Welt, Getty Images, etwa 35 Millionen professionelle Bilder aus seinen Archiven zur freien nicht-kommerziellen und redaktionellen Nutzung frei. Somit sind seit Mitte letzter Woche, neben aktuellen Nachrichtenbilder, Fotos aus der Sport- und Modewelt für jeden zur freien Online-Nutzung verfügbar. Einzige Bedingung ist, dass dafür ähnlich wie bei Youtube-Videos, eine von Getty Images vorgegebene Embed-Funktion benutzt wird.

Durch die Fortschritte des Web 2.0 und das Entstehen von Social-Media ist jeder Mensch quasi zum Autor, Produzent und zugleich Verleger mit eigener Reichweite geworden. Diese wird platformabhängig in Klicks oder Likes und Followers gemessen. Inzwischen werden auf viele Events wie Messen und Modeshows nicht nur Journalisten akkreditiert, sondern zur Irritation vieler Traditionalisten, auch Blogger. Das Aufkommen von sogenanntem Bürgerjournalismus und Blogging hat nachhaltig zu einer Gewichteverschiebung, aber auch Demokratisierung der Medienlandschaft geführt. Mit dieser Wende kommt für Agenturen und andere Mittler einher, dass sie nicht mehr nur Geschäftskunden zu bedienen haben, sondern auch kleine Privatkunden, die bis dato als Endkonsumenten definiert wurden.

Während Verlage sich Rechtsabteilungen und Justiziare leisten können, kommt es bei kleinen Verwertern oft aus mangelndem Fachwissen oft zu groben Fehlern, die nach geltendem Recht teilweise Existenzen kaputt machen könnten. Nach eigenen Angaben reagiert Getty Images auf die Bedürfnisse der kleinen Verwerter und schreitet in ein Business-to-Consumer Markt. Die Embed-Funktion erlaubt dabei Getty Images aber auch, Daten über die Seiten auf die sie eingeblendet wird zu sammeln und dann zum Beispiel personalisierte Werbung im Embed-Player zu schalten. Bereits wird spekuliert, ob Getty Images, die das letzte Mal in 2012 für 3,3 Milliarden US-Dollar den Besitzer wechselte, demnächst von der Datenkrake Google aufgekauft wird.

Der strategische Schritt des Fotoriesen verdeutlicht die Wucht der erwähnten Gewichteverschiebung in der Medienlandschaft in der Ära der Digitalität: aus der demokratischen Informationsfreiheit ist die sogenannte Kostenlosmentalität erwachsen – die Bereitschaft für Kultur Geld auszugeben gesunken. Das spiegelt sich in der sinkenden Auflage großer Print-Publikationen; nicht nur hierzulande.

Zugleich aber wird die Umwelt rasant medienbewusster und auch -erfahrener: Noch nie wurden so viele Fotos gemacht wie heute. Täglich werden durchschnittlich 55 Millionen Fotos auf Instagram hochgeladen. Die Generation „Z“, oft im Grundschulalter mit Tablets ausgerüstet, lernt es mit Fotos ihre Gefühle auszudrücken, genauso wie wir mit Wort und Schrift. Der wirtschaftliche Coup wird entsprechend darin liegen diese visuelle Bildung zu monetarisieren. Alternative wäre frei nach dem Motto „bis zum Schluss kämpfen und im Sattel sterben“ weiter nur an traditionelle Medienmodelle festzuhalten.

Es bleibt also abzuwarten, wie diese Embed-Funktion ankommt und ob die anderen Akteure nachziehen werden. Aber das entbindet die großen Medienkonzerne nicht davon, ihre freien Mitarbeiter fair und angemessen zu vergüten – auch dafür müssen neue Modelle her. So hat Getty Images mit Axel Springer AG vereinbart für die Verwendung jedes Fotos eines freien Fotografen in jedem ihrer redaktionellen Publikationen etwa acht US-Dollar zu zahlen. Daraus ergibt sich für den Fotografen, der oft einen halben Tag für das Foto gearbeitet hat etwa zwei US-Dollar Netto-Erlös. Für Getty Images immerhin ein Millionendeal. Fest steht, die Embed-Funktion wird die Marke „Getty Images“ weiter etablieren und eventuell auch den Börsenwert der Mutterfirma Carlyle steigern. Ob auch ein Stück von der Torte für die FotografINNen übrig bleibt ist zu bezweifeln – wahrscheinlicher sind Krümel.

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